Schlosskirche
Am 26. April 1903 fand an einem sonnigen Sonntagnachmittag die Grundsteinlegung für den Neubau der Niedergösger Pfarrkirche statt. Dieser Grundsteinlegung ging eine bewegte, teilweise gar turbulente Vorgeschichte voraus. Wenn man über die Geschichte der Schlosskirche schreiben will, muss man auch über die Geschichte des Bauplatzes bzw. des Vorgängerbaus etwas schreiben.
Bereits um etwas 1230 verlegte der Freiherr Gerhard von Göskon seinen Stammsitz von Ober- nach Niedergösgen, welches damals noch Bözach hiess. Als Bauplatz wählte er einen Felssporn gegenüber dem Stift Werd (Schönenwerd) aus. Auf diesem Platz liess er eine Burg mit einem mächtigen Bergfried errichten. Während er sich mit den Stiftherren noch gütlich über die Zinszahlungen für den Bauplatz einigen konnte, war es mit der Ruhe unter seinen Nachkommen vorbei. Sie unternahmen mehrere Ueberfälle auf das Stift, obwohl sie eigentlich die Schirmherrschaft darüber hatten. Der Propst von Werd musste deshalb immer wieder beim Bischof von Strassburg vorstellig werden, unter dessen Kastvogtei das Stift stand. Als die Linie der Göskoner ausstarb, gelangte die Herrschaft Göskon an das verwandte Haus der Falkensteiner.
Im Alten Zürichkrieg (1444) wurde die Burg durch die Solothurner und Berner in Brand gesteckt. Sie bestraften damit den damaligen Besitzer, Thomas von Falkenstein, welcher kurz zuvor das Städtchen Brugg überfallen und eingeäschert hatte. Lediglich der Bergfried überstand die Zerstörung mehr oder weniger. Für 8'200 Gulden kauften die Solothurner in der Folge dem Thomas die Burg und Herrschaft Göskon ab. Sein Besitz umfasste damals beinahe das gesamte heutige Niederamt. 54 Jahre nach der Zerstörung bauten die Solothurner die Burg als Vogteisitz neu auf. Im Jahre 1659 folgte der Bau der neuen Schlosskapelle, welche später als erste Pfarrkirche diente (heute Christkatholische Kirche). Die wohl bekanntesten Landvögte von Niedergösgen waren Adrian von Bubenberg und Niklaus Wängi.
Als im Jahr 1798 die Französische Revolution über die Schweiz hereinbrach, blieb auch das Niederamt nicht von den Auswirkungen verschohnt. Die anrückenden Franzosen vertrieben den residierenden Vogt und steckten das Schloss in Brand. Uebrig blieben einige Mauerreste der Burg, die Unterburg (Schlosshof) mit den Oekonomiegebäuden und der Burgfried. Ueber 100 Jahre trohnte auf dem Gösger Felssporn eine wildromantische Burgruine.
Von der Ritterburg zur Schlosskirche
Als Folge des Kulturkampfes trennte sich Ende des 19. Jahrhunderts auch in der Pfarrei Niedergösgen ein Teil der Gläubigen von der Römisch-katholischen Kirche los. Die ehemalige Schlosskapelle diente nun fortan den Christkatholiken wie auch den Römisch-Katholiken als Gotteshaus. Dies musste zwangsläufig zu Auseinandersetzungen führen. Als Folge davon begann die Römisch-katholische Kirchgemeinde um 1900 mit der Planung einer eigenen Kirche. An der Ratssitzung vom 16. Dezember 1901 legte der damalige Aktuar des Kirchenrates, Pfarrer Caesar Häfeli, den anwesenden Mitgliedern ein Bauprojekt vor. Der Rat beschloss in der Folge, der Kirchgemeindeversammlung den Bau einer eigenen Kirche zu empfehlen. Als Bauplatz sah das Projekt das Gelände der Schlossruine Falkenstein vor. Der durch Pfarrer Häfeli kontaktierte Architekt August Hardegger befand diesen Standort punkto Lage wie auch Kosten als sehr günstig. Mit dem Bergfried der ehemaligen Burg stand auch schon ein künftiger Kirchenturm zur Verfügung, was Kosten einsparte. Hardegger rechnete für den Rohbau mit Kosten von rund 90'000 Franken. An der Kirchgemeindeversammlung vom 22. Dezember 1901 stimmten alle Anwesenden dem Neubauprojekt zu. Ferner beschloss die Versammlung, das Grundstück mit der Schlossruine zum Preis von 5'000 Franken zu erwerben.
Nach der Zustimmung durch die Kirchgemeindeversammlung trieb der Rat das Projekt zügig voran. Auf Einwände, vor allem auch von Seiten der Gesellschaft zur Erhaltung Schweizerischer Kulturdenkmäler wurde nicht weiter eingetreten. Das Schleifen der alten Ruine war beschlossene Sache. Die Kirchgemeindeversammlung vom 3. August 1902 hatte dann über die definitiven Pläne des Architekten zu entscheiden. Nach Mitteilung des Pfarrers, dass für den Neubau bereits Mittel in der Höhe von 71'724 Franken zur Verfügung stünden, beschlossen die Versammlungsteilnehmer, mit dem Neubau sofort zu beginnen und bis Allerheiligen 1902 sämtliche Fundamentarbeiten bis Kirchenbodenhöhe ausführen zu lassen. Am Sonntag, 26. April 1903 versammelten sich um 13.00 Uhr die Gläubigen zu einer eucharistischen Andacht in der alten Kirche. Anschliessend fand auf dem neuen Kirchenplatz die feierliche Grundsteinlegung statt. Geleitet wurde diese Zeremonie durch den damaligen Gardian des Kapuzinerklosters Olten, Pater Michael-Angelius. Der Rohbau konnte schnell fertig gestellt werden. Verzögerungen ergaben sich dann aber beim Innenausbau. Vor allem der Stukateuer und der Maler benötigten mehr Zeit, als ursprünglich geplant war. Am Ostersonntag, 3. April 1904 war es dann aber soweit; die Gläubigen konnten feierlich in die neue Kirche einziehen. Was noch fehlte, waren die Kirchenglocken und die Orgel. Auch war die Innenausstattung noch nicht vollständig fertiggestellt. Am 10. April 1904 folgte die Glockenweihe und am 26. Juni 1904 die Orgelweihe. Abschluss des Neubaus bildete die feierliche Kirchenweihe vom 28. August 1904 durch den Bischof von Basel, Leonhard Haas. Die Feier begann am Morgen um 7.00 Uhr und dauert über 4 Stunden. Am Nachmittag spendete der Bischof auch gleich noch die Firmung und dies nicht nur etwa den Kindern von Niedergösgen, sondern rund 1'000 Kindern aus dem ganzen Niederamt.
August Hardegger reagierte mit seinem Projekt bewusst auf die aussergewöhnliche Situation, indem er der Kirche auf dem markanten Felsvorsprung aussen mit einem massiven Sichtmauerwerk und dem Einbezug des ehemaligen Bergfrieds einen trutzigen Charakter verlieh. Deutlich kommt aber auch der Heimatstil jener Jahre zum Ausdruck, etwa im Turmausbau und im Kirchendach. Der 63 m hohe Turm ist ausgezeichnet in die Gesamtanlage integriert und beherbergt heute 6 Glocken. Mit einem Gesamtgewicht von rund 15,42 Tonnen zählt das Geläut der Schlosskirche zu den grössten der Schweiz. Vom Kirchenvorplatz, mit den Priestergräbern, führt ein grosszügig gestalteter Treppenaufgang zur Plattform vor dem Haupteingang. Zwischen dem Haupteingang und dem linken Seiteneingang ist eine Gedenktafel in die Mauer eingelassen. Sie erinnert an Pfarrer Cäsar Haefeli. Von der Plattform aus kann man zudem eine herrliche Aussicht geniessen. Von hier aus sind die Stiftskirche in Schönenwerd und der Schlosshof unterhalb der Schlosskirche gut zu sehen. Letzterer wurde im Jahre 1981 von der Einwohnergemeinde Niedergösgen umfassend renoviert und beherbergt heute unter anderem die Gemeindeverwaltung.